14.07.2016 \|
Am 07. Juli hat der Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt
erklärt, dass es am Standort Böllenfalltor keinen Stadionneubau geben
wird. Vielmehr soll das jetzige Stadion saniert werden. Sowohl im
Hinblick auf die Stadionmodernisierung als auch für den Neubau eines
Stadion hat die SPD-Stadtverordnetenfraktion erheblichen Klärungsbedarf.
„Ein zeitnaher Neubau scheint von städtischer Seite nicht mehr im Fokus
zu stehen“, sagen der stellvertretende SPD-Fraktionssprecher und
sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Moritz Röder und der
SPD-Stadtverordnete Tim Huß.
Beide haben heute auf einer Pressekonferenz klargestellt, dass sie
weiterhin einen Stadionneubau wollen, auch wenn dieser an einem anderen
Standort vollzogen wird. Es müsse allerdings klar sein, wie der neue
Prozess der Findung eines Standorts gestaltet wird. Die provisorische
Modernisierung, wie der Oberbürgermeister sie vorgeschlagen hat,
unterstützt die SPD im Grundsatz; sie sieht aber baurechtliche,
lizenzrechtliche und statische Hürden. In jedem Falle darf die
Finanzierung des neuen Stadions nicht gefährdet werden: Daher müssen
alle unnötigen Modernisierungsmaßnahmen, die nicht für die Lizenzierung
notwendig sind, eingespart werden. Außerdem müsse geklärt werden, ob der
Landeszuschuss aus dem Landesausgleichsstock für die Sanierung oder für
den Neubau zur Verfügung steht. „Wir sind der Auffassung, dass die
Mittel nur für den Neubau bereitgestellt werden sollten“, sagt Röder.
Außerdem kündigte Röder heute eine neue Große Anfrage an, um die
offenen Fragen zu klären.
„Die SPD tritt weiterhin für ein neues Stadion ein. Die Suche nach einem
neuen Standort für den Neubau muss unverzüglich und mit Hochdruck
angegangen werden. Wir wollen ein transparentes Verfahren, in dem auch
die Bürgerinnen und Bürger das Für und Wider einzelner Standorte abwägen
und diskutieren können“, sagt Röder. Keinesfalls will die SPD, dass am
Ende einfach ein neuer Standort aus dem Hut gezaubert wird, ohne dass
die Auswahlkriterien klar und nachvollziehbar benannt werden. Die Stadt
muss aus ihren Fehlern lernen und aus der Standortsuche einen qualitativ
hochwertigen Prozess machen. Die mangelhafte Machbarkeitsstudie aus dem
Jahr 2013 ist für die heutige verfahrene Situation mitverantwortlich.
„In der Stadionfrage ist Darmstadt nicht Pionier, sondern Nachzügler“,
sagen Röder und Huß. „Daher können wir nicht verstehen, dass der
Oberbürgermeister ein Provisorium scheinbar für ausreichend hält. Das
Böllenfalltor für die Lizenzierung zu modernisieren, ist vom Gedanken
her richtig. Dieser Prozess darf aber nicht der Ersatz eines
Stadionneubaus werden.“
Ob die Modernisierung tatsächlich realisiert werden kann, steht
allerdings noch in den Sternen. „Die Modernisierung ist ein Prozess, der
genauso scheitern kann wie das Bauleitplanverfahren. Das muss die Stadt
von Anfang an transparent und ehrlich kommunizieren“, sagt Huß. „Auch
bei einer Modernisierung gibt es verschiedene Hindernisse. Das sind
erstens baurechtliche Hürden. Die Stahlrohrtribünen brauchen eine
Baugenehmigung, für die ähnliche Voraussetzungen vorliegen müssen wie
bei einem Bebauungsplan. Dazu gehören ein Parkraumkonzept und ein
Immissionsschutzkonzept. Ohne ein immissionsschutzrechtliches Gutachten
dürften nicht einmal die Stahlrohrtribünen genehmigungsfähig sein.
Zweitens gibt es lizenzrechtliche Hürden. In der Lizenzierungsordnung
der DFL finden sich 15 Bestimmungen, die am Standort Böllenfalltor
schwer oder gar nicht einzuhalten sind. Das betrifft vorwiegend
Rettungswege, sanitäre Anlagen und Medienflächen. Darüber hinaus müssen
Polizei, Feuerwehr und Rotes Kreuz jedes Jahr ihr Einverständnis für das
Stadion geben. Der SV 98 ist also auf den guten Willen von DFL und
Sicherheitsträgern angewiesen, wenn er weiterhin seine Spiele in
Darmstadt austragen will. Die dritte Hürde betrifft die Statik. Die
Gegengerade ist auf Kriegsschutt gebaut, in dem sich Hohlräume bilden,
die jedes Jahr größer werden. Es ist unklar, ob überhaupt weitere
Baukörper wie ein Dach angebracht werden können. Das müsste eine
Machbarkeitsstudie klären. In jedem Fall verspricht die Gegengerade
keine langfristige Nutzung mehr, da sie irgendwann gesperrt werden
muss.“ Huß stellt klar, dass diese Hürden die Modernisierung nicht
automatisch zum Scheitern verurteilten. „Sie zeigen aber, dass im worst
case eine Modernisierung nicht möglich ist. Für diesen Fall braucht es
wieder einen Plan B, der nur ein Stadionneubau sein kann. Umso wichtiger
ist es, sofort mit den Planungen für einen Neubau an anderem Ort zu
beginnen. Auf dem Standort und den Finanzierungsmöglichkeiten muss jetzt
das Hauptaugenmerk liegen.“
Deshalb sollten auch bei der provisorischen Modernisierung nur die
lizensierungsrelevanten Maßnahmen durchgeführt werden. Dagegen braucht
es keine Baumaßnahmen am Böllenfalltor, die für die Lizenzierung
unwichtig sind und die nach kurzer Nutzung wieder abgerissen werden.
Dazu gehört der Umbau der Böllenfalltorhalle und der Haupttribüne, der
einen großen Hospitality-Bereich ermöglichen soll. „Wir begrüßen es,
dass das Stadion fit für das Lizenzierungsverfahren gemacht wird“, sagt
Huß. „Alle anderen Maßnahmen, wie der Ausbau Business-Plätze, sind
hingegen Geldverschwendung. Das Geld ist im Neubau besser angelegt. Auch
der Verein braucht kein kurzfristiges Bonbon, sondern langfristige
Perspektiven.“ Weiter kritisiert die SPD, dass für die Modernisierung
die Zuweisung aus dem Landesausgleichsstock genutzt werden soll. Huß:
„Die Landeszuweisung war für ein neues Stadion gedacht und nicht für ein
Provisorium. Diese Mittel jetzt für einen anderen Zweck zu verausgaben,
gefährdet die Finanzierung des Neubaus.“
All diese Punkte zeigen, wie kompliziert selbst kleinere Baumaßnahmen am
Böllenfalltor sind. „Die Energie der Kommunalpolitik muss sich daher auf
den Erwerb und die Bebauung neuer Stadionflächen konzentrieren“, sagen
Röder und Huß. „Darmstadt ist eine Fußballstadt und braucht ein
bundesligataugliches Stadion!“