Rede zum Antrag „Gedenkweg jüdisches Leben“ von  Michael Siebel – StaVo 28.6.2022

Die Idee für einen „Gedenkweg jüdisches Leben“ war für uns schon Ende des letzten Jahres im Rahmen der Haushaltsberatungen entstanden. Für mich war von Anfang an klar, dass ein solcher Antrag ungeeignet ist, um darüber kontrovers zu debattieren. Deshalb bedanke ich mich bei allen Fraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit. Jüdisches Leben – da denken wir zu allererst an Synagogen, den jüdischen Friedhof und an Gedenkstätten. Aber jüdisches Leben ist auch Alltagsleben in seiner wunderbaren Ausprägung. Es ist nicht nur die Auseinandersetzung mit dem was in Gebäuden und Objekten mannifest wird. Es sind auch die Rituale und Feste, die Klezmer Musik und der besondere jüdische Humor. Ein Frankfurter Jude wird in der Broschüre jüdisches Leben so zitiert: „Besonders ist, dass bei uns zu fast jedem Anlass gegessen wird. An manchen Feiertagen essen wir Fisch oder etwas Süßes, an anderen etwas Milchiges. Neben dem Essen spielen bei uns Fragen eine große Rolle. Es heißt oft zwei Juden und drei Erklärungen (lacht). Fragen sind im Judentum sehr wichtig, auch wichtiger als die Antworten. Der ‚Gedenkweg jüdisches Leben in Darmstadt‘ ist als größeres Projekt für ganz Darmstadt gedacht. Er soll einerseits zu vielen für das frühere jüdische Leben in Darmstadt bedeutsamen Punkten führen und andererseits die Geschichte der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung sichtbar machen. Auf diese Weise soll symbolisch den von hier vertriebenen und ermordeten jüdischen Einwohner*innen wieder einen Platz in ihre Heimat gegeben werden und den Angehörigen die Chance, ihre Eltern, Großeltern und Geschwister zu verewigen. Durch diese Beispiele soll die Erinnerung an das jüdische Leben und an die von den Nazis zerstörte Kultur wach gehalten werden. Vom Verfahren haben wir uns darauf verständigt, die Konzeptionierung des Projekts in die Hände des Kulturdezernenten und Oberbürgermeisters zu legen. Er soll Menschen zusammenholen, die an der Idee arbeiten können und wollen. Das ist auf alle Fälle der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, der die Initiative unterstützt, die Geschichtswerkstadt, Lehrer und Schüler die beispielsweise das Digitalprojekt an der Lichtenbergschule begleitet haben, der Leiter des Stadtarchivs, der Verein gegen Vergessen – für Demokratie und natürlich die Stolpersteininitiative u.v.a.m. Natürlich soll die Stadtverordnetenversammlung regelmäßig informiert und eingebunden sein. Im Vorfeld war die Frage aufgetaucht, warum die AfD nicht mit auf dem Antrag steht und auch nicht angesprochen wurde. Darauf gibt es eine klare und unmissverständliche Antwort: Wer ein dermaßen verschrobenes Bild von Juden und jüdischem Leben in nicht endenden Äußerungen aus der AfD hat, der hat auf einem solchen Antrag nichts zu suchen. Aber lassen sie mich versöhnlich enden mit einem Auszug eines Interviews, das Thea Nivea mit Daniel Neumann geführt hat. In dem Interview antwortet er auf die Frage, was er sich wünsche, wenn er drei Wünsche frei habe. Neumann: „Bezahlbarer Wohnraum, das ist mein erster, ganz altruistischer Wunsch, weil ich sehe, dass Menschen, die von außerhalb kommen, eigentlich keine Chance haben, eine bezahlbare Wohnung zu bekommen. Der zweite Wunsch: dass wir trotz der fortschreitenden Automatisierung, der neuen sog. technischen Revolution, alle Mensch bleiben, dass wir unsere Menschenwürde behalten. Der dritte Wunsch ist schräg: dass wir alle Anhänger eines ethischen Monotheismus werden. Es ist meine religiös angehauchte Vision, dass alle Menschen glauben, dass es einen Gott gibt, der von uns verlangt, dass wir Gutes tun, uns gut miteinander verhalten und wir es nicht deshalb tun, weil man uns zwingt, sondern weil wir es aus uns heraus so wollen.“