Mehr Frauen und mehr Menschen mit Migrationshintergrund will die SPD-Fraktion bei der Namensgebung für Darmstädter Straßen repräsentiert wissen. Für die jetzt anstehenden Diskussionen im Straßenbenennungsbeirat zur Umbenennung von acht Straßen, deren bisherige Namensgeber einen nationalsozialistischen, rassistischen oder antisemitischen Hintergrund haben, hat sie daher eine Vorschlagsliste erarbeitet, die für etwas mehr Gerechtigkeit sorgen soll.
Ein Blick ins Namensverzeichnis von Straßen, Plätzen und Anlagen in Darmstadt zeigt: von den 1.067 Einträgen sind knapp 500 Männern gewidmet. Bei weiteren knapp 500 Namen standen Orte, Tiere, Firmen und Sachen Pate. Für die weibliche Hälfte der Menschheit bleibt also nicht viel übrig. Nicht einmal 100 Straßen und andere Orte wurden Frauen gewidmet. „Dieser Schiefstand ist ein Symptom dafür, dass Frauen in unserer Geschichte immer wieder systematisch benachteiligt, unterdrückt und unsichtbar gemacht wurden – und immer noch werden“, schlussfolgert Phil Lehmann, Mitglied des Straßenbeirates für die SPD-Fraktion.
Ebenfalls unterrepräsentiert sind aus Sicht der SPD-Fraktion Menschen mit Migrationshintergrund. Sie machen zwar ein Viertel der deutschen Bevölkerung aus, aber das Verzeichnis der Straßennamen spiegelt dies nicht wider. Das Gegenteil ist der Fall. So liefert die Suche nach türkischen, polnischen, russischen oder syrischen Namen so gut wie keine Ergebnisse. Hierzu Lehmann: „Menschen mit Migrationshintergrund prägen unsere Gesellschaft in vielen Facetten und tragen zu einem bunten Zusammenleben bei. Aber auch sie werden bei der Benennung von Orten oft übersehen. Dabei dokumentieren Straßennamen doch, dass Menschen dazugehören.“
Bei der beschlossenen Umbenennung der Hindenburgstraße folgt die SPD-Fraktion deswegen dem Vorschlag, Halit Yozgat als Namensgeber auszuwählen. Der gebürtige Kasseler war das letzte Mordopfer der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund. Eine Halit-Yozgat-Straße wäre für die Sozialdemokrat*innen nicht nur ein Mahnmal dafür, dass rassistische Denkweisen nach wie vor tief in unserer Gesellschaft verankert sind. Sie schlägt vor Ort zudem eine Mahntafel vor, um die Kontinuität von tödlichem Rassismus von Hindenburg bis in die Gegenwart aufzuzeigen.
Weitere Vorschläge für die anstehenden Umbenennungen werden von der SPD-Fraktion ebenfalls begrüßt. So spricht sie sich dafür aus, folgende Personen zu berücksichtigen: Mirjam Pressler, Schriftstellerin und Übersetzerin und Anna Maria Rauck, hessische Landtagsabgeordnete, die in der Frauenhilfe, dem DRK und der Arbeiterjugend aktiv war. Einen Platz finden soll nach dem Wunsch der Sozialdemokrat*innen auch Familie Fränkel. Sie hatten die jüdische Gemeinde Darmstadts wieder mit aufgebaut, sich dort im Vorstand engagiert und hier jüdisches Leben wieder sichtbar gemacht. Namensgeberinnen sollen zudem Ruth Horn und Christel Trautmann werden. Beide Frauen waren hessische Landtagsabgeordnete und lange Zeit als Stadtverordnete ehrenamtlich aktiv. Trautmann erhielt 1989 das Bundesverdienstkreuz. Auch die Frauenrechtlerin Auguste Staudinger, Gründerin der Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in Darmstadt, soll berücksichtigt werden. Im Straßenbild sichtbar werden soll zudem der Widerstandskämpfer Georg Elser, der ein Attentat auf Adolf Hitler verübte.
Diese sieben außerordentlichen Persönlichkeiten möchte die SPD-Fraktion mit einem Namen im Straßenbild ehren. Zur Auswahl erläutert die SPD-Stadtverordnete Sasha Young: „Wir haben dabei neben einem Lebenslauf, der mit unseren Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Solidarität harmoniert, ebenfalls Wert auf Geschlechtergerechtigkeit gelegt. Man sollte sich zwar nicht der Illusion hingeben, die Ungleichbehandlung von Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund könne durch die Umbenennung von Straßen beseitigt werden. Es wäre aber ein weiterer, kleiner Schritt in Richtung Gleichstellung.“