20.03.2018 \|
Die Stadt, die Luft und der Verkehr – die SPD-Fraktion will jetzt, dass
sich endlich etwas bewegt, und zwar zum Besseren. Für die morgige
Stadtverordnetenversammlung hat sie deshalb eine „aktuelle Stunde“
beantragt. „Großes Verkehrspaket für saubere Luft“, lautet der Titel.
„Das Herumdoktern an einzelnen Elementen führt zu nichts. Was wir
brauchen, ist ein umfassendes Konzept, das uns nicht im Verkehr und in
Abgasen ersticken lässt“, sagt Fraktionssprecher Michael Siebel.
Die SPD-Fraktion fordert den Magistrat auf, endlich ein großes
Verkehrspaket zu schnüren. Hinein gehört nach Siebels Ansicht ein Mix
aus ÖPNV, Radwegen, Car-Sharing und E-Mobilität. Es werde nämlich nicht
ausreichen, allein auf Elektroautos zu setzen. „Das würde uns zwar
frische Luft bescheren, uns aber nicht vor dem Verkehrs-Kollaps
bewahren“, meint der Kommunalpolitiker. „Wir brauchen deshalb Lösungen,
die unseren Bürgern alternative Mobilität anbieten, deren Nutzung
attraktiv ist. Ansonsten bleibt die Verkehrswende auf der Strecke.“ In
dieser Hinsicht betrachtet die SPD-Fraktion das Diesel-Urteil als eine
Chance, endlich Lösungen anzuschieben, die seit Jahren überfällig sind.
Fahrverbote hingegen sind keine Lösung, wie Siebel klarstellt, ganz im
Gegenteil: Als beschämend empfindet die SPD-Fraktion das Herumlavieren
der grün-schwarzen Stadtregierung auf das Diesel-Urteil. „Anstatt
Straßensperrungen zu verkünden und sie kurz darauf wieder als Unsinn zu
verwerfen, muss der Magistrat jetzt endlich ein umfassendes Konzept
vorlegen“, verlangt Siebel.
Das Urteil in Leipzig war kaum gesprochen, da kündigte die Stadt drei
Straßensperrungen an, obgleich das Bundesverwaltungsgericht dies nicht
per se verlangt, sondern nur als letzte Möglichkeit gestattet hat. „Hier
hat unser grüner Oberbürgermeister richtig Gas gegeben, aber in die
falsche Richtung. Bei der tatsächlich nötigen Verkehrswende jedoch fährt
er mit angezogener Handbremse“, kommentiert Siebel. Geradezu peinlich
sei es im weiteren Verlauf geworden. Es währte keine Woche, da
manövrierte der Magistrat wieder zurück. Er tat seine eigene Antwort
auf das Diesel-Urteil als widersinnig ab. Simulationen hätten gezeigt,
dass Straßensperrungen zu einer Verlagerung von Verkehr und Abgasen
führen. „Das ist jedem Bürger klar. Bloß unserem Magistrat nicht. Der
braucht dafür extra eine Simulation“, ärgert sich Siebel.
Für ihn ein Offenbarungseid. „Das zeigt, dass die grün-schwarze
Stadtregierung mit leeren Händen dasteht.“ Dabei gebe es durchaus
Konzepte in den Schubladen. Doch die blieben ungenutzt, weil sie von der
Opposition stammten. „Stattdessen bekamen wir einen Akt vorgeführt, der
einer Wissenschaftsstadt unwürdig ist und an eine Episode aus Schilda
erinnert.“ Umso erstaunlicher sei dies, weil das Leipziger Urteil lange
erwartet wurde. Doch anstatt die Verkehrswende einzuläuten, habe die
Stadt Zeit und Ressourcen verschwendet, um nutzlose Straßensperrungen
auszutüfteln und anschließend zu verwerfen. „Wir dürfen gespannt sein,
was uns Bürger dieser Aberwitz noch kosten wird“, sagt Siebel. „Wenn es
nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen“.
Zum Lachen aber ist der SPD-Fraktion mit Blick auf die Luftwerte nicht
zumute. Bundesweit zählt Darmstadt zu den Städten mit der höchsten
Belastung durch das Umweltgift Stickoxid. „Die Gesundheit unserer Bürger
darf nicht länger durch Inkompetenz fahrlässig aufs Spiel gesetzt
werden“, sagt Siebel. Es sei jedoch bezeichnend für die grün-schwarze
Stadtregierung, dass sie die Situation offenbar aussitzen wolle. Nach
ihrer Blamage durch das „Fahrverbot Hick-Hack“ seien keine weiteren
Initiativen vom Magistrat gekommen. Das zeige auch die Tagesordnung der
morgigen Stadtverordnetenversammlung. „Für die große Verkehrswende, die
wir brauchen, hat Grün-Schwarz nichts zu bieten“, kommentiert Siebel.
„Ob sie nicht willens, oder nicht fähig sind, sei dahin gestellt.
Tatsache ist, sie liefern nichts.“
Wer liefert, sind die Linken und UFBASSE. Doch den Antrag der Linken,
samstags einen kostenlosen ÖPNV probeweise anzubieten, bewertet Siebel
als idealistisch, „aber in der Realität derzeit nicht umzusetzen.“
Seine Fraktion werde diesen Antrag deshalb ablehnen. „UFBASSE“ hat eine
Resolution für die morgige Parlamentssitzung beigesteuert, „Nachrüsten
statt Fahrverbote“ heißt es darin. Gefordert wird, nach dem
Verursacher-Prinzip vorzugehen, und die Automobilkonzerne für das
Nachrüsten betroffener Diesel-PKW zahlen zu lassen, anstatt die Kosten
auf den betrogenen Käufer abzuwälzen. Siebel hierzu: „Das ist alles
richtig, das können wir alles unterschreiben und werden daher auch
zustimmen. Aber es ist nur eine Resolution.“ Obendrein gibt der
SPD-Fraktionssprecher zu bedenken, dass die Frage der Haftbarmachung
der Automobil-Industrie nicht im Darmstädter Stadtparlament zu
entscheiden und zu regeln sei, sondern nur vom Bundesgesetzgeber in
Berlin. „Wir sollten uns besser um das kümmern, was wir hier in
Darmstadt tatsächlich gestalten, entscheiden und auf den Weg bringen
können. Und das sind keine Haftungs-Regelungen, wohl aber die städtische
Verkehrswende. Zu der sind wir unseren Bürger verpflichtet.“